Viele Familien trifft es völlig unvorbereitet: Ein Elternteil verbringt die letzten Jahre im Pflegeheim, die Kosten steigen, die Ersparnisse schwinden – und irgendwann übernimmt das Sozialamt. Nach dem Tod glaubt man, das Thema sei erledigt. Doch dann folgt der nächste Schock: Das Amt meldet sich und fordert Geld zurück. Und das, obwohl man doch gar nichts geerbt hat.

Was viele nicht wissen: Auch wer enterbt wurde, ist nicht automatisch „raus“. Nahe Angehörige – also Kinder, Ehepartner oder Eltern – haben einen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch. Und genau dieser Anspruch kann dem Sozialamt bares Geld bringen. Denn nach § 93 SGB XII darf der Sozialhilfeträger solche Ansprüche übernehmen, um sich die Pflegekosten zurückzuholen, die er zuvor übernommen hat. Das bedeutet: Wenn Sie auf Ihren Pflichtteil verzichten, tritt das Sozialamt einfach an Ihre Stelle – und fordert das Geld vom Erben.

Ein Beispiel aus der Praxis: Eine Mutter lebt mehrere Jahre im Heim, die Kosten trägt schließlich die Sozialhilfe. In ihrem Testament setzt sie nur ihre Tochter als Alleinerbin ein, der Sohn wird enterbt. Nach dem Tod der Mutter denkt der Sohn: „Ich will gar nichts – das gibt nur Streit.“ Doch kurz darauf liegt Post vom Sozialamt im Briefkasten. Darin steht, dass er seinen Pflichtteilsanspruch angeben soll. Und wenn er das nicht tut, macht das Amt es einfach selbst. Am Ende bekommt der Sohn keinen Cent – aber das Sozialamt kassiert den Betrag, der eigentlich ihm zugestanden hätte.

Das mag ungerecht wirken, ist aber rechtlich völlig zulässig. Der Pflichtteil ist ein Anspruch in Geld, und dieser Anspruch gilt als Vermögen, auf das das Sozialamt zugreifen darf. Selbst wer keinen Streit in der Familie will, wird dadurch schnell in eine unangenehme Lage gebracht. Viele erfahren erst dann, dass ihr vermeintlicher „Verzicht“ gar nichts nützt.

Ganz verhindern lässt sich dieses Risiko nicht, aber es gibt einige Möglichkeiten, sich frühzeitig abzusichern und den Zugriff des Sozialamts zu vermeiden. Wichtig ist, das Thema nicht aufzuschieben, sondern rechtzeitig offen in der Familie darüber zu sprechen – also bevor Pflegekosten überhaupt entstehen. Eine durchdachte Nachlassplanung ist hier entscheidend.

Nehmen Sie mit uns Kontakt auf!

Wie man das verhindern kann

Ganz ausschließen lässt sich das Risiko nicht, aber wer frühzeitig handelt, kann es deutlich reduzieren.
Hier sind die wichtigsten Stellschrauben, um zu verhindern, dass das Sozialamt beim Erbe mitverdient:

 

Pflichtteilsverzicht zu Lebzeiten

Die sicherste Lösung ist ein notarieller Pflichtteilsverzicht.
Ein pflichtteilsberechtigtes Kind kann zu Lebzeiten des Elternteils wirksam auf seinen Pflichtteil verzichten.
Das wird meist mit einer Abfindung oder Schenkung ausgeglichen.
Wichtig: Nur ein notariell beurkundeter Verzicht ist rechtswirksam.

Der Vorteil: Wenn kein Anspruch mehr besteht, kann das Sozialamt später auch nichts übernehmen.

 

Frühzeitige Schenkungen

Viele Familien übertragen Immobilien oder Geld schon zu Lebzeiten.
Hintergrund ist die 10-Jahres-Frist nach § 2325 BGB: Je länger eine Schenkung zurückliegt, desto weniger kann sie beim Pflichtteil berücksichtigt werden.
Wer also rechtzeitig überträgt, kann den Pflichtteil – und damit den Zugriff des Sozialamts – wirksam reduzieren.

 

Cleveres Testament

Ein Testament kann gezielt so gestaltet werden, dass das Vermögen geschützt bleibt.
Beispiele sind das sogenannte Behindertentestament oder eine Vor- und Nacherbschaftsregelung.
Damit lässt sich das Familienvermögen über mehrere Generationen sichern – und der Zugriff Dritter, also auch des Sozialamts, deutlich erschweren.

 

Pflegeleistungen vertraglich regeln

Oft pflegen Kinder ihre Eltern über Jahre hinweg. Diese Leistungen können den Pflichtteil mindern, wenn sie vertraglich dokumentiert sind.
Ein Pflegevertrag oder eine Schenkung mit Pflegeauflage zeigt, dass bereits eine Gegenleistung erbracht wurde.
Das kann im Streitfall entscheidend sein.

 

Rechtzeitig beraten lassen

Sobald das Sozialamt Leistungen übernimmt, wird es später versuchen, sich diese zurückzuholen.
Darum gilt: Je früher die Beratung, desto größer der Gestaltungsspielraum.
Eine gute erbrechtliche Beratung hilft, das Familienvermögen zu sichern, bevor es zu spät ist.

Ich erlebe häufig, dass Familien dieses Thema aus Unsicherheit oder Rücksicht jahrelang aufschieben. Niemand spricht gern über Pflege, Erbe oder Geld. Doch genau das führt dazu, dass am Ende nicht die Familie, sondern das Sozialamt vom Nachlass profitiert. Wer sich rechtzeitig mit Pflichtteilsverzicht, Testament und Schenkungen beschäftigt, kann gezielt verhindern, dass staatliche Stellen später Zugriff auf das Erbe haben. Es geht nicht darum, etwas zu verstecken, sondern um kluge, vorausschauende und rechtssichere Nachlassplanung.

Nehmen Sie mit uns Kontakt auf!